Livigno Tag 4 und 5: Hiking, Höhenluft und Höhensonne

Tag 4: Hiking statt Biking

Weil unsere Abenteuerlust in der Regel unstillbar ist, hatten wir uns für den "Ruhetag" oder besser gesagt radfreien Tag ein besonderes Projekt vorgenommen: Die Besteigung eines 3000ers! Meine erste Tour auf einen solch hohen Berg. In der Gegend hier relativ schnell möglich, da wir ja bereits einige Höhenmeter von der Meereslinie entfernt sind.



Am Morgen gab es dann keine andere Möglichkeit unser Auto vom Grundstück zu entfernen, als über den penibel gepflegten Rasen unserer Vermieter. Das ist ein Rasen! Der wurde sogar Sonntagabend nach 19 Uhr noch gemäht und gewässert. So etwas kennen wir in Deutschland in diesem Dürresommer ja gar nicht mehr, da wir seit April nur noch eine verbrannte, vertrocknete und wenig ansehnliche Korkmatte als Rasen bezeichnen können. Der trockene Sommer fordert eben seine Opfer. Aber ich schweife ab. Also das Auto war von der baustellen-geschuldeten Abgeschnittenheit befreit und es konnte losgehen zum Passo Forcola der die Grenze zwischen Italien und der Schweiz markiert. Hier begann unser Aufstieg zum Monte Vago mit einer stolzen Höhe von 3058 Metern. Unsere Planung der Tour ergab die Informationen, dass oben ein luftiger und schmaler Grad wartete, der nur für geübte Wanderer empfohlen wird, eine Seilsicherung ist jedoch nicht möglich. Italian Lifestyle - mal wieder. Wir waren gespannt, was uns erwarten wird. Der Aufstieg zog sich über Almwiesen, rauschende Gebirgsbäche und gab erste Blicke auf die umliegenden schneebedeckten 4000er frei.



Die Vegetation wechselte in felsigen Untergrund mit verblockten Aufstiegen und Schneeresten des letzten Winters. Und dann nach einem zähen Aufstieg lag er vor uns: Der luftige Grad, der uns vom Gipfelkreuz trennte. Zunächst wussten wir nicht wirklich, wie wir dort durch die riesigen Felsbrocken und zu beiden Seiten steil abfallenden Flanken überhaupt einen begehbaren Weg finden sollen. Doch wir tasteten uns langsam vor. Bloß keinen Blick zur Seite riskieren. Ein falscher Schritt und die Lage wäre mehr als brenzlig. Es war in der Tat ein Grad zwischen gerade noch machbar und lasst es doch lieber.



Doch die Abenteuerlust überwog und schließlich erreichten wir das Gipfelkreuz auf 3058 Metern. Der Rundumblick war atemberaubend! Mein erster 3000er! Ich war stolz und glücklich über diese tolle Tour.



Zudem war es fast nicht zu glauben, dass selbst auf dieser Höhe noch immer 20 Grad herrschten und wir unsere vorsorglich eingepackten Kleidungsschichten getrost im Rucksack lassen konnten. Die Regel pro 100 Höhenmeter 0,6 Grad weniger scheint in diesem Sommer außer Kraft getreten zu sein.


Tag 5: Verbrannt in der Höhenluft

Nach dem Aufstehen fühlten sich meine Beine ungefähr so an, als ob sie nicht zu mir gehörten. Schnell stellte ich fest, welche Muskelgruppen beim Hiking beansprucht werden, die beim Radfahren scheinbar verkümmern. Aber es wird sich schon legen im Laufe des Tages war meine Devise, schließlich lag ein langer Radtag vor mir. Und in der Tat nach der ersten Intervallsession ging es schon um einiges besser. Heute wollten wir nämlich testen, wie der Körper in der Höhe auf Vo2max-Intervalle reagiert. Und als Erkenntnis: Es ist ihm relativ egal, auf welcher Meereshöhe ich diese absolviere.

Weiter ging es über einen flowigen Trail und dann über 1000 Höhenmeter am Stück hinauf auf 2700 Meter. Dabei stellten wir fest, dass in den letzten Tagen Almabtrieb gewesen sein muss, da weit und breit keine Kuh mehr in Sicht war und den Weg blockierte. Der lange und steile Aufstieg wurde mit einem 20 kilometerlangen Trail bergab belohnt. Fahrspaß ohne Ende.



Gerne hätten wir uns nach der Tour noch mit einem echten italienischen Eis belohnt. Doch die Eisdielensituation ist hier sehr angespannt. Prinzipiell gibt es nur eine Eisdiele, die ihren Verkauf mehr als kompliziert gestaltet. Man muss ein Ticket ziehen (wo gibt es denn sowas?!), dann warten und irgendwann unter mehr als 10.000 Sorten - alle mit komischen Namen - sein Eis auswählen. Also nichts mit eben mal schnell ein Eis holen.

Auf dem Rückweg führte unser Weg wieder zu unserem - mittlerweile Stammplatz - am Bach, um unsere müden Beine zu erfrischen. Plötzlich sahen wir, dass auf der gegenüberliegenden Uferseite Menschen ein Eis in den Händen hielten. Sie kamen aus der "Latteria". Unglaublich. Wer hätte denn damit rechnen können, dass es dort Eis gibt?! Also schnell wieder auf das Rad, zur nächsten Brücke, den Fluss überqueren und dann hinein ins Eiswunderland. Trotz der mäßigen Eiskonkurrenz hier im Ort das beste Eis, was ich je gegessen habe.

Nach dem Training stellten wir fest, dass unsere Formkanten von Tag zu Tag tiefer in die Haut gebrannt werden. So braun wie ich hier in den letzten Tagen geworden bin, war ich den kompletten Sommer nicht. Da Vitamin D ja bekanntlich bis zu 3 Monate vom Körper gespeichert wird, sollten wir mit den Vorräten somit gut über den deutschen Winter kommen. Denn im Januar ruft in der Regel ja zum Glück bereits wieder der warme Süden zum ersten Trainingslager der neuen Saison.

Der Tag klang im Schwimmbad um die Ecke aus, was mit vielen großen Rutschen uns jeder Menge Action auf uns wartete.

Bis dahin:
Keep on riding,
Vanessa

Zitate des Tages:
"Die Abfahrt ist ja immer früher. Morgen fahren wir wahrscheinlich schon vor dem Aufstehen los."

"Lass uns deine Bikeskills schulen. Spring erst mal über den Bordstein."


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