Bergzeitfahren Schotten: Und ist der Körper noch so leer, ein bisschen Kraft kommt noch irgendwo her…

Nach dem Trainingslager in der Höhe und einer Woche Training in der Heimat stand nun der CP20-Leistungstest auf dem Plan. Somit passte es perfekt, dass am Samstag das traditionelle Bergzeitfahren in Schotten ausgerichtet wurde. 8 Kilometer, rund 400 Höhenmeter und in etwa 20 Minuten geschätzte Fahrtzeit. Besser könnten die Bedingungen nicht sein. Und den Leistungstest mit einem Rennen verbinden, ist Motivation pur.



Aufmerksame Leser werden sich erinnern: Nach Schotten führen alle Wege – noch mehr als nach Rom. Die kritische Lage meiner allgemeinen Orientierungslosigkeit verschärfte die Tatsache, dass ich bedingt durch eine Doppelveranstaltung die Reise ganz alleine antrat. Nur mein Navi und ich auf weiter Flur. Und das führt ja bekanntermaßen gerne eigenwillige Weginterpretationen durch und ich habe keine andere Möglichkeit, als ihm blind zu vertrauen. So auch diesmal: In Gedanken versunken verpasste ich einen – viel zu spät angekündigten – Abzweig. Okay, ich bin selber schuld, weil ich das Navi zur Nervenschonung immer stumm stelle. Aber kein Problem für mein Navi: 200 Meter später holperten wir dann über einen landschaftlich schönen Feldweg zurück auf die Hauptrasse. Aber man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen (Zitat Goethe, damals allerdings noch ohne elektrische Navigation on Tour). Trotz schöner Überlandfahrt durch vergessene Welten kam ich noch rechtzeitig am Ort des Geschehens an, holte die Startunterlagen ab und traf die nötigen Vorbereitungen (die mir üblicherweise und zum Glück abgenommen werden). Heute war ich auf mich alleine gestellt. So beschäftigte ich mich einige Zeit mit dem Anbringen der Miniatur-Startnummer am Lenker. Problem an der Sache war mein Garminhalter, der in Bezug auf die Nummer ungünstig platziert war. Und des Weiteren waren die im Startpaket enthaltenen Kabelbinder viel zu kurz für meinen Lenker. Ich blickte mich um und stellte fest, dass ich mit diesen Problemen nicht alleine war und etliche Starter mit großer Hingabe an der aerodynamischen Anbringung herumwerkelten. Aber Lektion gelernt: Nehme stets lange Kabelbinder als Ersatz mit. Kabelbinder sind ohnehin für alles zu gebrauchen. Man sollte immer welche mitführen. In allen Längen.

Mit dem Warmfahren auf der freien Rolle – da mich keiner festhalten konnte, nutze ich die „Was ist los im Ort?“-Stellwand zum Aufstieg und anrollen – tauchte ich in die absolute Wettkampffokussierung ein. Zum einen freute ich mich sehr auf meine Lieblingsdisziplin und zum anderen war ich gespannt, ob sich das Trainingslager in der Höhe in meiner Leistung bemerkbar machen wird. Und natürlich hatte ich mir auch selber ein Ziel gesetzt in Bezug auf meine Leistungsdaten.

Um Punkt 15:09:30 Uhr ging es für mich auf die Strecke. Als vorletzte Starterin war ich somit größtenteils die Jägerin – was ich gut fand. Das Motto „Pacing ist alles“ vergas ich keineswegs, so richtig funktionierte es aber in den ersten Minuten nicht. Und es kann noch so viele Studien und mahnende Worte des Trainers geben, die es widerlegen: Ich halte daran fest, dass je schneller ich losfahre, desto schneller bin ich auch später in der Summe. Oder auch: So lange ich nicht einbreche, kann es so falsch nicht gewesen sein. Meine Werte pendelten sich perfekt ein, die Zeit flog nur so dahin. Ich war vollkommen im Flow und nahm um mich herum gar nichts wahr. Kurz vor dem Ziel hatte ich alle vor mir gestarteten Fahrerinnen überholt und erreichte die Ziellinie nach 19 Minuten und 35 Sekunden als schnellste Frau. Und meine Leistungsdaten auf dem Garmin offenbarten: Die Höhe wirkt. Ich bin über mein selbst gestecktes Ziel deutlich hinausgeschossen. Was für ein Rennen! Was für ein Leistungstest! Werte von denen ich vor zwei Jahren nur träumen konnte.

 

Die Abfahrt zurück zum Auto war durch den einsetzenden Regen nass und zudem auch eisig. Unten angekommen glich ich einem Eiszapfen und wunderte mich, wie plötzlich nun der Winter ins Land gezogen war. Das Wetter kommt einmal mehr ohne jegliche Übergänge aus und katapultiert uns scheinbar vom Hochsommer direkt in den kalten Herbst. Wie bin ich denn jetzt um alles in der Welt schon wieder aufs Wetter gekommen? Ich schweife ab, denn Wetter ist ja bekanntlich immer. Und ändern kann man es auch nicht.
Bis zur Siegerehrung war ich langsam wieder aufgetaut und freute mich über die Goldmedaille.

Leider naht nun die Offseaon, was für mich immer ein trauriges Ereignis ist und ein wenig die Stimmung trübt. Nächstes Wochenende steht der letzte Marathon der Saison am Dünsberg im Rennkalender, auf den ich mich bereits sehr freue.

Bis dahin: Keep on riding,

Vanessa

Zitate des Tages:

“Also ich arbeite 20 Stunden die Woche.”

                        „Und was machst du in den restlichen 20?“

                                               „Eurosport gucken.“
  

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