Hellental 2017: Aller Anfang ist schwer
Ja, schon klar. Ich weiß, ich weiß, ich bin spät dran. Und
dann immer die gleichen Ausreden: Training, Uni, Kaninchen, Lieblingsmensch,
Ostern... Es gibt einfach immer was zu tun, gerade im Frühling, wenn man nach
dem ewigen Winter gar keine Wahl mehr hat als raus zu gehen. Aber da jetzt bei
uns auf dem Berg der Winter zurück ist und draußen die Flocken fliegen, habe
ich Zeit mein erstes Rennen nach 10 Monaten schriftlich zu verarbeiten.
Ich habe im Vorfeld lange überlegt, ob ich überhaupt wieder
Rennen fahren will. Wann immer ich auf meine Saisonplanung angesprochen wurde
hielt ich mich bewusst bedeckt und unbestimmt. Was ich sicher wusste war nur,
das ich mir in dieser Hinsicht keinen Druck machen wollte und möglichst nach
Lust und Laune antreten wollte. Nicht einmal einen Rennplan hatte ich mir bis
dato geschrieben. Aber als der Warm-up Marathon in Hellental immer näher
rückte, kam auch das Rennfieber zurück. Nach einem letzten Zögern, ob es
wirklich so klug war am Vortag vor einer Uniprüfung den ganzen Tag auf dem Rad
zu verbringen, war ich am frühen Sonntagmorgen auf dem Weg in den Solling, wo
schon um kurz vor 8 reges Treiben im Fahrerlager herrschte: Räder wurden
begutachtet, Luft aufgepumpt, Profile verglichen und nicht zuletzt Umarmungen
ausgetauscht. Das erste Rennen in der neuen Saison ist immer ein bisschen wie
ein großes Familientreffen, wo man Menschen trifft, die man zwar irgendwie
schon ewig kennt, aber viel zu selten sieht. Bereits zum viertel Mal meldete
ich mich im Wirtshaus des kleinen Ortes an und erhielt im Gegenzug meine
Startnummer.
Die Zeit bis zum Start verging viel zu schnell. Umziehen,
Rad checken, Warm fahren, Aufstellung im Startblock. Diesmal achtete ich
darauf, mich nicht zu weit nach vorne zu schieben, denn obwohl die Strecke in
diesem Jahr geändert worden war, in Hellental muss man immer zuerst einen langen
fiesen Asphaltanstieg erklimmen, bis man im Wald Gas geben kann.
Nachdem der Startschuss gefallen war startete also genau an
diesem Berg meine Rennsaison 2017. Ich hatte ihn aber viel schlimmer in
Erinnerung gehabt und konnte von dem „Sog der Masse“ profitieren. Die folgenden
10 Kilometer vergingen zwischen Trails, Forstautobahnen und längeren Anstiegen
schnell und meine Beine hatten heute einen guten Tag erwischt. Zweimal wurde
ich in dieser Zeit von anderen Fahrern auf unseren Blog angesprochen, danke an
dieser Stelle an unsere treuen Leser! Immer wieder traf ich auf eine Gruppe, in
denen mein Teamkollege Tobias mitfuhr. Und ohne dass wir darüber gesprochen
hätten, auf einmal waren wir ein Team. Und es war schnell klar wer von uns
dabei profitieren würde ;)
Der gefürchtete Wiesenanstieg |
Nach dem langen flachen Sprint durch das
namesgebende Hellenthal mussten wir, wie in jedem Jahr, den Wiesenanstieg zur
anderen Seite des Sollings hoch. Wieso haben sie denn bloß nicht diesen Teil
der Strecke geändert? Unsere Teamkollegen am Streckenrand gaben uns den Stand
der Dinge durch: Ich lag im Moment auf dem 2. Platz in der Damenwertung und
keine 20 Sekunden hinter der Dame in Führung. Damit war das Ziel also klar.
Nach einem wurzeligen Trail folgte ein langer zehrender Anstieg, der einfach
nicht enden wollte. Wir hatten uns einer schnelleren Gruppe
angeschlossen und fuhren ein sehr zügiges Tempo, was ich allein ganz sicher
nicht gewählt hätte. Aber so musste ich nur auf das Hinterrad vor mir achten
und hatte sogar Zeit zu denken: Hey, wie cool ist das denn, es läuft ja super!
Und dann kamen uns auf einmal Fahrer entgegen, die uns deutlich machten: Wir
hatten uns verfahren. Wir hatten doch tatsächlich die Abbiegung zum Trail
verpasst. Nach Unglaube (Nicht wirklich jetzt, oder?), Wut (Na toll, das hat
mich jetzt die Platzierung gekostet!!) folgte schließlich Akzeptanz (hey, was
soll’s, wenigstens gibt’s gleich Kuchen im Ziel). “Gleich“ war in diesem Fall allerdings
sehr relativ. Die letzten 10 Kilometer zogen sich wie Kaugummi. Schlammige
Trails, Anstiege, wieder schlammige Trails, schlammige Abfahrten. Und dann auch
noch kein Ziel mehr vor Augen. Der arme Tobias musste sich meine Quengelei
anhören: Wieso geht es hier immer nur bergauf? Wir müssten doch längst im Ziel
sein! Wieso sind wir immer noch im Wald? Ich schreibe doch morgen Klausur...
Aber schließlich erreichten wir den Funpark und kannten uns schließlich wieder
aus. Wir gaben auf den letzten Metern nochmal alles und hatten eigentlich vor
einträchtig nebeneinander ins Ziel zu fahren. Dies führte allerdings bei mir
dazu, dass ich die erste Zeitnahme übersah und fast auf die Ziellinie gefallen
wäre. An den Aufschrei der Zuschauer kann ich mich noch ziemlich gut erinnern.
Seht ihr, da sind wir dann falsch gefahren und dann... |
Im Ziel herrschte erst einmal allgemeine Verwirrung. Alle
fragten sich, wo ich geblieben sei und wie ich noch nicht im Ziel sein konnte,
wenn mich doch keiner überholt hatte. Es
stellte sich aber relativ schnell heraus, dass wir nicht die Einzigen waren,
die auf der neuen Strecke Probleme mit der Beschilderung gehabt hatten. Zu
unserer großen Überraschung hatte ich es trotzdem noch auf den 3. Platz bei den
Damen geschafft und ich freute mich riesig über mein erstes Podium 2017. Zudem
wir letztendlich statt 32 36 Kilometer auf dem Tacho hatten. So schmeckte der
Kuchen im Ziel gleich noch besser.
An dieser Stelle vielen liebe Dank an meinen Teamkollegen
Tobias, ohne den ich ganz sicher nicht noch auf dem 3. Platz gelandet wäre. Und
es hätte ganz sicher auch nicht soviel Spaß gemacht!
Fazit: Es hat super viel Spaß gemacht wieder an der
Startlinie zu stehen. Und auch wenn ich keinen Rennplan habe, ich werde
bestimmt bald wieder an der Startlinie stehen.
Zum Beispiel bei der Bezirksmeisterschaft im Bergzeitfahren,
wer weiß, wer weiß...
Keep riding,
Evelyn
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