3 Täler Marathon Titmaringhausen - Broken Wings
Am Samstag stand für mich der 3-Täler-Marathon in
Titmaringhausen auf dem Programm. Nachdem ich im letzten Jahr dort mein bestes
Rennen der vergangenen Saison zeigen
konnte, freute ich mich auf die abwechslungsreiche und anspruchsvolle Strecke,
zudem auch Vanessa ihr Kommen angekündigt hatte.
So machen meine Schwester Caro und ich uns bei kühlen sechs
Grad am Samstagmorgen auf den Weg ins Sauerland. Heute ist schon die Hinfahrt
ein Erlebnis, denn die Straßen im Sauerland sind kurvig und schmal, außerdem
verdeckt der Nebel die Aussicht auf die bergige Landschaft. Als wir schließlich
den kleinen Ort erreichen, der zumindest auf den ersten Blick nur aus fünf
Bauernhöfen besteht, bekommen wir einen Parkplatz auf einer großen Wiese
zugewiesen. Nachdem wir uns noch etwas wärmer angezogen haben, machen wir uns
auf den Weg zur Registration. Ich bekomme mein Starterpaket, inklusive eines
leckeren Müslibrötchens, und meine Schwester einen Tee, und so starten wir
einen Rundgang über das etwas verwinkelte Gelände. Wir finden die Markierungen
für die Startblöcke und ich stelle erleichtert fest, dass ich im ersten
regulären Block starten darf. Wir passieren den Zielbogen und wandern dann
zurück zum Parkplatz, vorbei an kleinen Kälbchen und süßen Kätzchen. Dabei
treffen wir auf Vanessa, die auf dem Weg zur Nennstelle ist. Die ersten
Neuigkeiten werden ausgetauscht: wen haben wir heute schon gesehen, wer wir
heute die Konkurrenz sein und was ziehen wir denn an? Es gibt viel zu
besprechen.
Trotz dass es immer noch empfindlich kalt ist entscheide ich
mich für mein kurzes Eulentrikot, mein Bike wird von uns mit Startnummer,
Luftpumpe und Reperaturset präpariert und ich bin gerade fertig, als Vanessa
mich zum Warmfahren abholt. Gemeinsam stellen wir fest, dass wir heute mit
starker Konkurrenz konfrontiert sind und ein schweres Rennen vor uns haben.
Nachdem die Startschüsse für die Lang- und Mittelstrecke gefallen sind, drängen
alle Fahrer in die Startaufstellung für die 37 Kilometer lange Kurzstrecke. Der
Start erfolgt auf einer schmalen, leicht ansteigenden Straße, sodass das
Gedränge immens ist und wir uns trotz pünktlicher Ankunft eher im Mittelfeld
wiederfinden. Nach den Erfahrungen hier im letzten Jahr wissen wir, dass es
nun zuerst in eine sechs Kilometer lange Einführungsrunde geht, in der es im
vergangen Jahr immer wieder zu Staus auf der engen Strecke gekommen war. Also
ist heute ein zügiger Start gefragt!
Und fünf, vier, drei, zwei, eins und los. Mit Vollgas
starten ist hier allerdings nicht möglich, stattdessen ist an dieser Stelle
Koordination und Konzentration gefordert, ansonsten kommt man schnell zu Fall.
Ich erwische den Anschluss an einen Fahrer, der das Feld außen überholt und
schließe mich an. An der ersten Kurve bin ich schließlich aus dem größten
Gedränge raus und kann meinen Rhythmus finden. Die Strecke führt nun steil
bergauf und ich arbeite mich an zwei Frauen ran, die weiter vorne im Startblock
gestartet sind. Als der Berg noch steiler wird, kann ich beide überholen und
mich ein Stück absetzten, bevor es in die erste Abfahrt geht. Jetzt habe ich
nur noch eine Frau vor mir, die allerdings bereits jetzt einen guten Vorsprung
aufgebaut hat. Also auf geht’s, der Start ist geglückt und ich bin auf Kurs.
Eine junge Frau auf einem schneidigen, pinken Bike überholt mich und ich lasse
mich von ihr mitziehen. Gemeinsam schließen wir im Zielbereich die
Einführungsrunde ab und gehen auf die Hauptrunde. Wir passieren einen Bach und
im zügigen Tempo mehrere lange, leicht ansteigende Trails. Erleichtert stelle
ich fest, dass wir eine sehr ähnliche Fahrweise und das gleiche Fahrtempo
haben, was uns beiden entgegen kommt. An der nächsten längeren Steigung
überhole ich sie, damit sie sich nun ziehen lassen kann, doch als ich auf der
nächsten flachen Passage ankomme stelle ich fest, dass sie deutlich zurück
gefallen ist. Dafür habe auch ich offensichtlich den Anschluss an die momentan
führende Frau verloren, zumindest ist sie aus meinem Sichtfeld verschwunden.
Ich bin nun in einer größeren Fahrergruppe unterwegs und komme gut voran. Wie
immer im Sauerland hat man das Gefühl, dass es ständig nur bergauf und nie
bergab geht, doch die Beine sind gut und ich bester Dinge.
Wir passieren eine Hochebene und nun geht es in eine längere
Abfahrt. Ich habe einen Fahrer vor mir und drei Fahrer hinter mir, ein kurzer
Blick auf den Tacho, 58 km/h. Der Fahrer vor mir ruft noch
eine Warnung, nachdem er plötzlich extrem in Schräglage gekommen ist, aber es
ist für mich zu spät. Vor mir taucht eine tiefe Spurrille auf und bevor ich
weiß, wie mir geschieht, habe ich keinen Lenker mehr vor mir und befinde mich im
Sturzflug. Instinktiv schlage ich die Arme vors Gesicht und schlittere ein
Stück über den Schotter. Ich höre hinter mir die Scheibenbremsen quietschen und
halte es für die beste Entscheidung, erst einmal liegen zu bleiben, bevor ich
noch jemanden zu Fall bringe. Irgendeiner der anderen Fahrer hilft mir auf und
redet dabei auf mich ein, ein weiterer ist auf dem Weg zum Streckenposten und
mein Bike wurde bereits von der Strecke gezogen. Das Alles fällt mir aber kaum
auf, der Sturz auf die Rippen hat mir buchstäblich den Atem verschlagen und ich
versuche trotz Schnappatmung den anderen Fahrern mitzuteilen, dass ich okay
bin. Trotzdem warten alle drei, bis der Streckenposten mich erreicht hat, bevor
sie ihre Fahrt fortsetzten. Auch die Fahrerin mit dem pinken Bike fährt vorbei,
allerdings erkundigt auch sie sich sofort nach meinem Befinden. Als ich wieder
normal Luft bekomme, versuche ich herauszufinden, was mir eigentlich genau weh
tut. Meine Oberschenkel sind verschrammt, an meinen Armen läuft das Blut vom
Ellenbogen hinunter, die Hüfte tut weh und die Schulter krampft. Als ich mich
aufrichte, um mein Bike in Augenschein zu nehmen, fragt der Streckenposten mich
überrascht, ob ich weiter fahren werde. Ich nicke und muss ihm ein weiteres Mal
versichern, dass ich auch wirklich fahrtauglich bin. Nachdem der Streckenposten
meinen Lenker so gut es geht gerade gezogen hat, geht es weiter für mich. 24
Kilometer sind vorbei und noch 13 zu fahren. Aua.
Ich bemerke relativ schnell, dass der immer noch etwas
schiefe Lenker nicht mein Hauptproblem ist: der Sturz hat meinen Schalthebel
abgerissen, sodass ich nur auf die großen Kränze wechseln kann. Na toll, wer
braucht im Sauerland denn schon eine Gangschaltung? Trotzdem komme ich noch
ganz gut voran, auch wenn ich mich jetzt besonders an den Steigungen doch
ziemlich quäle. Bei Kilometer 30 erreiche ich das erste Mal wieder Titmaringhausen,
bevor es auf der anderen Seite des Tales wieder hinauf geht. An dieser Stelle
wäre die optimale Gelegenheit für mich, das Rennen zu beenden. Ich hadere kurz
mit mir, entscheide mich dann aber dagegen. Ich habe schließlich nur noch
sieben Kilometer vor mir und liege immer noch auf Platz drei.
Doch diese sieben Kilometer ziehen sich. Es geht steil
bergauf, meine Oberschenkel krampfen, meine Rippen schmerzen bei jedem Atemzug
und an einer Spitzkehre bemerke ich, dass eine weitere Dame direkt hinter mir
ist. Dieser Ansporn bringt mich zunächst nochmal auf die Beine, ich passiere
die Bergsprintetappe und gebe auf den Trails noch einmal alles. Trotzdem kann
ich nicht verhindern, dass sie direkt hinter mir auf die Straße einbiegt, als die
letzten 500 Meter bis zum Ziel liegen vor uns. Ich lege noch einmal alles in
diese letzten Meter, doch kurz bevor es auf die Wiese geht, wo sich auch der
Zielbogen befindet, zieht sie aus meinem Windschatten und an mir vorbei. Ich
würde ja gern die Verfolgung aufnehmen, doch ich habe keine Kraft mehr übrig. Schließlich
rolle ich als 4. ins Ziel und ich kann mich nicht erinnern, jemals so erschöpft
im Ziel gewesen zu sein. Ich habe Tränen in den Augen, allerdings weiß ich
nicht ob von Enttäuschung oder Erschöpfung.
Meine Schwester heitert mich etwas auf und gemeinsam
empfangen wir kurz darauf Vanessa, die wohlbehalten als Sechste das Ziel
erreicht. Gemeinsam stürmen wir die Zielverpflegung und tauschen uns hier und
da noch mit den anderen Fahrern aus. Ich gratuliere den drei Damen, die sich heute
das Podium erkämpft haben, bevor wir uns alle drei zurück zum Parkplatz
begeben. Ich beschließe einen Abstecher bei der Bergwacht zu machen, die für
heute die medizinische Versorgung übernehmen. Sie verbinden meine Wunde am
Ellenbogen und empfehlen mir, mich heute noch zu duschen, um den Dreck aus den
Wunden zu waschen. Danke für den Tipp!
Als ich mich umgezogen und das leckere Müslibrötchen gegessen habe, fange ich erst an zu merken, was mir eigentlich alles weh tut.
Alles in allem kann ich mit dem vierten Platz zufrieden
sein. Es wäre sicher mehr drin gewesen, die Beine waren gut und die Tagesform
war optimal. Aber zum Mountainbikesport gehören Stürze genauso wie Defekte
leider dazu. Ich kann mich glücklich schätzen, dass bei einem solchen Sturz bei
dieser Geschwindigkeit nicht mehr passiert ist, und dessen bin ich mir auch
sehr wohl bewusst. Aber je länger der Sturz zurück liegt und je mehr die
Schmerzen nachlassen, desto mehr ärgere ich mich darüber, das Podium so knapp
verpasst zu haben. Ich weiß aber auch, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe und
dass ich alles gegeben habe.
Manchmal gewinnt man und manchmal gewinnen die anderen.
Liebe Vanessa Schmidt, auf jeden Fall danke für den schönen
Tag! Es ist immer wieder schön und so lustig wie nie, wenn wir zusammen im
Startblock stehen. Herzlichen Glückwunsch zu einem starken Rennen und einem
guten 6. Platz! Du bist die Beste!
In der kommenden Woche heißt es jetzt für mich das Erlebte
abhaken, regenerieren und bis zum Wochenende wieder fit werden. Denn am Sonntag
geht es in Bad Salzdetfurth für mich um die deutsche Meisterschaft im XC.
Keep calm and bike on,
Evelyn
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