Etappenrennen „Durch den Dunkelwald“ im Erzgebirge – zwischen Schwibbögen, Holzschnitzereien und Natur pur
Meine Teilnahme am Bike Giro im Schwarzwald in der letzten
Saison hat meine Begeisterung für Etappenrennen entfacht. Als mich die
Ausschreibung für ein 4-tägiges Etappenrennen im Erzgebirge mit dem Titel „Treibjagd
durch den Dunkelwald“ erreichte, war mein Interesse direkt geweckt. Das Format
bot alles, was mein Bikerherz höher schlagen lässt:
Etappe 1: Bergzeitfahren zum Auftakt / 4 km mit 350 Höhenmetern
(genau mein Ding)
Etappe 2: Trailmarathon durch das Trailcenter Rabenberg
Etappe 3: Bike-Cross-Marathon
Etappe 4: Erzgebirgsradrennen
Ich entschied mich bei den einzelnen Etappen jeweils für die
Kurzdistanz, weil das Rennen als Station zum nächsten Großevent diente. Jede
Etappe zählte beim Rennformat für die Gesamtwertung. Die Zeiten wurden am Ende
aufaddiert. Die Führenden durften bei der Folgeetappe dann im Leadertrikot
starten.
Tag 1
Da das Auftaktzeitfahren erst am Abend stattfand, starteten
wir ganz entspannt in den Tag und traten unsere Reise gen Osten mit unserem
Campervan an. Ziel: Trailcenter Rabenberg in Breitenbrunn, irgendwo mitten im
Erzgebirge. Unweit der tschechischen Grenze. Eine mir unbekannte Gegend. Meine
Vorurteile gegenüber der Gegend bestätigten sich in der Tat direkt: Schwibbögen
soweit das Auge reicht, Holzschnitzereien, Holzpyramiden, Holz an den Fassaden,
Holz überhaupt überall, kleine Dörfer mit Leerständen, wenig Besiedelung – aber
auch viel Natur! Und das war wirklich wunderschön: Eine Mischung aus
Schwarzwald und Voralpen. Gepaart mit einigen „Lost Places“, die ich gerne
erkundet hätte, wofür dieser Trip aber nun mehr keinen Raum bot.
Als wir dem Schild „Sportpark Rabenberg“ inmitten von
Breitenbrunn folgten, war ich mir nicht ganz sicher, wo genau hier nun inmitten
des Nirgendwo noch ein Sportpark sein sollte. Doch nach einer steilen Auffahrt
über viele Serpentinen tauchten wir ein in eine andere Welt: Ein Sportzentrum
mit Hotelkomplex, gepflegten Sportstätten, Pumptracks, Spielplätzen, die
alle Kinderherzen höher schlagen lassen und Wohnmobilstellplätzen – alles vom
Feinsten. Wir ergatterten einen der letzten Schattenparkplätze und richteten
uns häuslich ein. Auf diesem offiziellen Stellplatz konnten wir nun auch
endlich mal die Klappstühle und die Markise rausholen.
Da bis zum Start des ersten Rennens am Abend noch jede Menge
Zeit war, nutzen wir den Nachmittag für den Streckencheck und fuhren den
Anstieg des Bergzeitfahrens schon einmal hoch. Danach tauchte ich noch in die
Pumptrackerlebniswelt ein und musste mich regelrecht losreißen, so viel Freude
machte das. Aber ich wollte mir meine Kräfte lieber für den Abend aufsparen.
Um 18.50 Uhr folgte dann mein Start – wir wurden im Abstand
von je 15 Sekunden auf die Strecke gelassen. Zunächst ging es über einen
breiten Schotterweg, der mit jedem Meter steiler und gröber wurde. Auf dem
letzten Kilometer tauchten wir dann in einen Trail ein, der sich über Wurzeln,
Steine und Kurven nach oben schlängelte. Ausgespuckt wurden wir dann wieder im
Headquarter des Trailcenters. Mit meiner Zeit von knapp 14:27 Minuten war ich
sehr zufrieden. Als alle Frauen schließlich im Ziel waren, stand fest, dass
diese Zeit für den Gesamtsieg gereicht hatte. Bei der Siegerehrung durfte ich
dann das gelbe Führungstrikot in Empfang nehmen. Das war das erste Leadertrikot
meines Lebens und ich freute mich total darüber, obwohl es mir eigentlich viel
zu groß war. :D
Tag 2
Der Start der zweiten Etappe war sehr langschläferfreundlich
um 13.15 Uhr. Da ich aber ein absoluter Frühaufsteher bin, konnte ich den Tag
entspannt mit Yoga und einer kleinen Radeinheit mit Streckencheck starten und
hatte dann immer noch genügend Zeit, um aufgeregt zu sein.
Die zweite Etappe führte in und um das Trailcenter in
Rabenberg und galt als technisch anspruchsvollste Etappe. Der Start war sehr
schnell – glücklicherweise konnte ich als Führende in der ersten Reihe starten.
Denn es wurde direkt eng, als es in den ersten Trail bergauf und dann in die
erste lange holprige Waldstraße ging. Beim Abbiegen in den ersten Trail hatte ich
leider einen unsanften Bodenkontakt mit meinem „geliebten“ Schotter, weil mir
der Fahrer hinter mir noch schnell den Weg abschnitt. Zum Glück war nichts
passiert und ich konnte direkt wieder aufs Rad. Die erste Abfahrt hatte es
direkt in sich. Für mich kam im Trail kein Flow auf – es war sehr verblockt.
Steine, Wurzeln, Anlieger mit Schotter – und das unentwegt im Wechsel. Und so
ging es dann auch weiter – die anspruchsvollste Strecke wurde ihrem Namen mehr
als gerecht. Steile Wurzelfelder bergauf, Steinfelder mit höchster
Durchschlaggefahr bergab. Noch nie habe ich mir so innig ein Racefully statt
meinem Hardtail gewünscht. Aber es war dennoch eine große Freude! Man hatte
keine Sekunde Pause – sondern musste unentwegt aufmerksam sein. So konnte
hinter jeder Kurve, nach jeder Senke wieder eine technische Raffinesse lauern.
So verging die Zeit wie im Flug und ehe man sich versah, ging es in den letzten
Anstieg, der über einen Trail ins Ziel führte.
Und dort konnte ich mich über einen weiteren Gesamtsieg freuen
und damit über die Verteidigung meines gelben Trikots.
Ich habe diese Etappe Enduro-Marathon getauft. 😊
Bis zum nächsten Start galt das Motto: Eat, repeat, sleep. Und
wir mussten uns unbedingt einen Überblick der verschiedenen Campervans verschaffen – denn
der Parkplatz glich mittlerweile einer Caravanmesse. Ich war erstaunt, wie
viele Menschen genau wie wir im Besitz eines fahrbaren Zuhauses sind.
Tag 3
Für Etappe drei stand ein Ortswechsel ins unweit gelegene
Johanngeorgenstadt an. Wir verpassten den gut getarnten Abzweig ins Zentrum –
wenn man dies so nennen kann und ehe wir uns versahen, hatten wir schon die
tschechische Landesgrenze passiert. Wir fanden uns wieder zwischen
Duty-free-Shops, Sprit, der 450 Kronen kostete und Wellblechhütten. Also
schnell wieder retour.
Bevor wir uns auf den Weg zum Start-/Zielgelände machten,
mussten wir noch unseren kulturellen Horizont erweitern. Denn im unscheinbar anmutenden
Johanngeorgenstadt gibt es den weltweit größten freistehenden Schwibbogen der
Welt und die größte Pyramide im Erzgebirge. Davon brauchten wir natürlich
Beweisbilder.
Auch heute war der Start erst um die Mittagszeit und somit
blieb genug Zeit alle Vorkehrungen zu treffen: Kleidung zusammenstellen – es
war wirklich nicht leicht, alles auf das schrille Gelb des Leadertrikots abzustimmen:-D
– Höhenprofile studieren und die letzten Kohlenhydrate zu tanken.
Heute starteten die Kurz- und Langstrecke zusammen und somit
war das Starterfeld groß und unübersichtlich. Auf dem ersten Kilometer ging es
jedoch direkt bergauf, sodass sich das Feld recht schnell auseinanderzog. Ich
erwischte einen guten Start und konnte mich direkt nach vorne absetzen. Es galt
zwei Runden á 15 Kilometer zu absolvieren. Rundkurse sind stets praktikabel,
denn dann weiß man in Runde 2, was einen erwartet. Ein super Rennflow packte
mich und ich konnte das Rennen schön gleichmäßig durchfahren. Die Ziellinie
überquerte ich auch am dritten Tag als Gesamtsiegerin und freute mich enorm.
Tag 4
Die vierte und letzte Etappe fand in Markersbach statt und
somit wechselten wir noch ein letztes Mal den Standort. Über die Strecke gab es
im Vorfeld bereits viele Spekulationen: Nur Teer, Forstautobahnen, keine
Trails, 30er Schnitt. Ich nahm dies so hin, da ich es ohnehin nicht ändern
konnte, zog aber sicherheitshalber den Aero-Helm auf. Ein letztes Mal streifte
ich mir das gelbe Trikot über und fand mich im Startblock ein. Die ersten
Kilometer waren hinter einem Auto neutralisiert und dies kam mir wie eine
Ewigkeit vor. Als der Start dann schließlich frei war, gab es kein Halten mehr.
Die Führungsgruppe zog an und ich wollte nur eins: Dranbleiben! Dranbleiben an
den Männern und am Hinterrad meines Lieblingsmenschen, der auch in dieser
Gruppe war. Es war hart, aber ich schaffte es bis Kilometer 15. Dann kam ein glitschiger
enger Trail bergauf (der einzige um genau zu sein) und ich musste abreißen
lassen. Danach ging es 7 Kilometer auf Schotter bergab. Meine fehlende
Hangabtriebskraft wurde mir hier zum Verhängnis. Denn ich hatte keine Gänge
mehr zum Mittreten und musste somit die aerodynamischste Haltung einnehmen, die
irgendwie ging. Mehr konnte ich nicht machen. Einfach nur Rollen. Als es dann
endlich wieder bergauf ging, brannten die Beine und die Verfolgergruppe der
Männer kam näher. Die sind wohl alle etwas schneller gerollt. Von da an blieben
wir als Gruppe zusammen, das Ziel kam auch schon in Sichtweite. Nach einem
kurzen steilen Anstieg ging es durch die Zielpassage und ich konnte die
Ziellinie als Gesamtsiegerin überqueren. Auf dem Garmin stand tatsächlich ein
28er Schnitt – so schnell fahre ich sonst mit dem Rennrad nicht. Der Kurs war
leider tatsächlich wie vorab spekuliert wenig mountainbikeaffin – aber für eine vierte Etappe
mit müden Kopf war es in Ordnung. Die Etappe war so schnell, dass ich noch
nicht einmal Zeit hatte, mir einen Ohrwurm zu überlegen.
Fazit
Es war eine extrem schöne Zeit im Erzgebirge. Ich durchlebte einen Flow, der 4 Tage anhielt und mich durch die Rennen trug. Das gelbe Trikot
beflügelte mich bei jeder Etappe dranzubleiben. Das Etappenrennen war perfekt
abgestimmt mit einem Bergzeitfahren zu Beginn, einem sehr technischen Marathon,
einem Cross-Rundkurs-Rennen und einem schnellen „Zeitfahren“ am Ende. Eine sehr
gute Mischung, hier war für jeden etwas dabei! Solche Formate sollten definitiv
öfter stattfinden – ein großes Lob an die Veranstalter.
Etappenrennen sind für mich die absolute Höchstdosis an dem,
was den Mountainbike-Rennsport ausmacht. 4 Tage im Rennmodus, 4 Tage fokussiert
auf das Wesentliche, in einer Blase zwischen hartem Rennen, pushen ans Limit
und erholen. Netten Gesprächen mit Gleichgesinnten – die alle so viel Freude am
schönsten Sport der Welt haben. Die Stimmung im Fahrerlager, das ganze
Drumherum. Das ist wirklich toll.
Meine erste Anmerkung nach der Zieleinfahrt war übrigens:
„Was schon vorbei? Wie schade – ich will weiterfahren!“ Es war in der Tat ein
komisches Gefühl von innerer Leere, was sich zunächst breit machte, als der
Adrenalincocktail von mir abfiel. Gefühlt hätte ich einfach jeden Tag wieder
die nächste Etappe fahren können.
Aber nach dem Etappenrennen ist vor dem Etappenrennen: Next
Stop Iron Bike Ischgl!
Bis dahin: Keep on riding,
Vanessa
Zitate des Tages:
„Wohnen hier noch Menschen?“
„Hier gibt es sicher Bären und Wölfe.“
„Komm mal aus dem Pumptrack raus, du verschleuderst deine
Körner.“
„Wir waren beim Trackcheck schneller, als viele im Rennen.“
„Oh es gibt ja Bananen. Okay, das war ein schlechter Gag.“
„Ach ich habe ja den Schlafanzug noch an, hat keiner
gemerkt.“ :D
Kommentare
Kommentar veröffentlichen