Do-it-yourself Leistungstests auf dem Rad

Mit Watt zum Erfolg – dies ist seit vielen Jahren mein Credo. Die Wattmesser gehören zu meinen Rädern wie der Tannenbaum zu Weihnachten oder die Eier zu Ostern. Ohne Watt, ohne mich. So trug es sich in den düsteren Stunden meiner bisherigen Trainingslaufbahn wohl schon mehrfach zu, dass Trainingseinheiten aufgrund leerer Batterien im Wattmesssystem abgebrochen werden mussten. Zur Grundausstattung gehören bei Ausfahrten für mich deswegen seither neben Riegeln, Gels und Luftpumpe stets auch eine CR20-32er und eine AA-Batterie. Zwar kann ich am Bike so gut wie gar nichts selber reparieren, aber auf dem Gebiet der Wattmessung bin ich Expertin. Natürlich kann man auch ohne Watt Radfahren, jedoch bei Weitem nicht so effizient. Im Grunde ist es sinnlos. Denn was man nicht misst, kann man nicht auswerten. Und was man nicht auswertet, kann man nur mühsam verbessern und steigern. Gerade wenn man zeitlich limitiert ist, sollte die Wattmessung auf jeden Fall zum Trainingsalltag gehören, denn nur so lässt sich das Training qualitativ bestmöglich gestalten. Die Anschaffung mag zunächst teuer erscheinen, doch der Effekt zahlt sich schneller aus, als die erste Batterie leer ist.  So viel zu meiner kurzen „Ode an die Wattmessung“.

Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: Leistungstests! Denn die Überprüfung des aktuellen Leistungsstandes zum Anpassen und Festlegen der Trainingszonen ist ein elementarer Schritt in der eigenen Trainingsplanung. Oder anders gesagt: Ohne Ermittlung der Leistungsbereiche bringt einen auch der beste Wattmesser nicht weiter. Grundsätzlich lässt sich eine Leistungsdiagnostik natürlich in entsprechenden Instituten – quasi unter Laborbedingungen – durchführen. Hier lassen sich sodann auch noch viele weitere Parameter wie die Laktatkonzentration oder auch die Vo2max ermitteln und aufzeichnen. Von einer solch ausführlichen Diagnostik will ich auch gar nicht abraten. Doch diese Diagnostiken sind eben auch sehr teuer, zeitaufwendig und man fährt als „normaler“ Sportler nicht nach jedem mehrwöchigen Trainingsblock ins Institut und kontrolliert seinen aktuellen Leistungsstand.

Deswegen muss es doch (zusätzlich) noch einen einfacheren Weg geben? Und ja, den gibt es – und das Beste daran: Er ist einfach durchführbar und umsonst. Nur anstrengend, das ist auch dieser Test. Und selber treten muss man auch. ;-)

Ich fahre seit Jahren meine Leistungstests in Form von CP-10 und CP-20-Tests. Die Abkürzung CP steht für Critical Power, das meint die Leistung in Watt, die ich über den jeweiligen Zeitraum maximal fahren kann. Anhand dieser Werte lässt sich dann die FTP ableiten (=Functional Threshold Power, zu Deutsch funktionelle Leistungsschwelle). Die FTP ist der Wert der Werte im wattgesteuerten Radsport. Ich persönlich ziehe die oben genannten Tests allen anderen Diagnostiken im Labor vor. Denn die Tests in Leistungszentren habe ich seit jeher immer vor lauter Aufregung völlig in den Sand gesetzt. Seitdem meide ich dies und fahre meine Tests für mich alleine – wo ich will und wann ich will. Und vor allem unter realen Bedingungen draußen auf der Straße. Den Aspekt habe ich bisher noch unerwähnt gelassen, aber ich fahre diese Tests natürlich draußen. Ich fahre ohnehin IMMER draußen – bei Wind und Wetter. Denn für mich ist und bleibt der Radsport ein Outdoorsport und kein virtueller, grafisch aufgearbeiteter  - von Ventilatorenluft aufgewirbelter - Paincave-Spielplatz vor dem Laptop mit künstlichem Steigungssimulator. Für die Zwifter unter euch: Wenn es euch erfüllt, man kann den Test natürlich auch Indoor auf der Rolle in Wattopia – oh Moment Watopia - absolvieren.

Aber ich schweife ab, deswegen folgen jetzt ein kurzes Testprotokoll und ein paar Anregungen:

1) Zunächst solltet ihr im Vorfeld einen fixen Testtag terminieren, damit ihr euer Training entsprechend tapern könnt. Ein Test macht Sinn nach der Offseaonphase Sinn, oder wenn ihr spürt, dass euch eure Trainingseinheiten leicht/schwer fallen oder einfach alle 6 bis 8 Wochen zur Selbstkontrolle. Schließlich schadet so ein Test nie, denn er ist ein super Trainingsreiz. Auch, wenn keine neuen Bestwerte erreicht werden.

2) Die Testfahrt beginne ich zunächst mit einem kurzen Einrollen, gefolgt von einer Rampe mit einer 3x2 minütigen Steigerung hin zur derzeitigen FTP. Drei kurze Antritte runden das Warmup ab.

3) Wichtig ist, dass ihr euch einen guten Testberg auswählt. Dieser sollte unbedingt lang genug sein (da verschätzt man sich gerne, wenn ihr Strava nutzt, checkt doch vorher einmal Bestzeiten der Segmente ab), gleichmäßig ansteigend, dabei aber nicht zu steil und am besten mit wenig Verkehr.

4) Für den eigentlichen Leistungsstest CP-10 oder CP-20 solltet ihr euch vorher grob überlegen, wie viel Watt ihr ungefähr fahren könnt. Als Grundlage dienen hier ältere Diagnostiken oder die aktuellen Trainingszonen. Als absolute Wattneulinge kann ich euch „betreutes Testfahren“ mit vorheriger Einweisung von (*Werbung*) Training mit Köpfchen ans Herz legen. Beim Test solltet ihr gut pacen, ein zu harter Start rächt sich immer. Ich bin auch eine Spezialistin im „Hintenraus-Eingehen-weil-zu hart-begonnen.“ Es ist sinniger nach der Hälfte der Zeit zu sehen, ob noch eine Steigerung möglich ist und ein paar Watt rauszukitzeln. Denn auch 10 Minuten können ganz schön lang sein.

5) Drückt für den Test unbedingt eine eigene Runde ab und betrachtet euch dann am Ende die Durchschnittsleistung dieser Runde (nicht die Normalized Power). Beim CP-20-Test zieht ihr zur Ermittlung der FTP dann 5 Prozent von diesem Durchschnittswert ab, beim CP-10-Test 10 Prozent. Grundsätzlich ist der 20-Minutentest vorzuziehen, weil je länger, desto genauer. Bei mir wurde der kurze Test von 10 Minuten von meinem Trainer in Ermangelung von langen Bergen in der Heimat eingeführt. Für die langen Tests muss ich die Location wechseln. Ihr habt auch die Möglichkeit einen 30-Minuten-Test zu absolvieren, von dieser Durchschnittsleistung muss dann prozentual nichts mehr abgezogen werden.

6) Anhand der ermittelten FTP errechnet ihr dann eure Trainingszonen und trainiert fortan in den für eure derzeitige Leistung perfekten Bereichen. Vergesst an dieser Stelle nicht, den FTP-Wert am Radcomputer und auch in eventueller Analyse- und Auswertungssoftware auf den neusten Stand zu bringen. Sonst habt ihr nachher Datensalat. Tipp: Ich habe mir früher immer eine kleine Tabelle mit meinen Leistungsbereichen und den Wattwerten auf mein Oberrohr geklebt, damit ich die Werte immer vor Augen hatte.

7) Lasst euch nicht entmutigen, wenn der erste Test nicht direkt super läuft. Man benötigt mehrere Tests, um ein Gefühl dafür zu bekommen.  Deswegen ist der erste Test nach dieser Methode nicht immer direkt zu 100 Prozent aussagekräftig. Was mir noch einfällt: Der Garmin zeigt gelegentlich nach Einheiten eine eigene errechnete FTP an. Als Näherungswert kann dieser fungieren, jedoch würde ich es nicht als Einstellung übernehmen – ich habe da selbst schon spezielle Szenarien erlebt, ebenso wie bei der skurrilen Erholungszeit.

Die vorgestellte Testmethodik ist angelehnt an die Studienwerke von Coggan und Friel und die Erfahrungen damit bewerte ich für mich persönlich als durchweg positiv und zielführend. Natürlich ist dies sehr individuell und nicht für jeden Sportler in Stein gemeißelt.

Doch die Vorteile dieses Do-it-yourself-Testverfahrens liegen klar auf der Hand:

-kostenlos

-zeitlich flexibel und jederzeit durchführbar

-Nutzung des eigenen Rads

- man ist für sich, ohne Diagnostiker, ohne Aufregung und Drumherum

-wunderbare Selbstkontrolle

Gegebenenfalls dienen die Selbsttests auch einfach als Ergänzung zur Labordiagnostik.

Vielleicht habt ihr nun eine Anregung bekommen und Lust, dieses Verfahren selber auszuprobieren.

Und solltet ihr Unterstützung bei der Planung und Umsetzung des Trainings benötigen, schaut doch einfach mal bei www.training-mit-koepfchen.de vorbei.

 

Bis dahin: Keep on riding,

Vanessa

 

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