Fahr´ mal hin: Dahner Felsenland - Mountainbike-Paradies mit Singeltrailgarantie

 
 
In den letzten Wochen der Corona-Zeit hat sich für mich herauskristallisiert, dass die breite Masse scheinbar eine völlig andere Auffassung von Begriff des „Rausgehens“ pflegt, als ich selbst. Für mich persönlich bedeutet „raus gehen und draußen sein“, dass ich mich frei in der Natur bewegen kann. Die Sonne genießen, die unverbrauchte Waldluft einatmen und die Ruhe in mich aufsaugen. Da dies in der Krisenzeit für uns in Deutschland glücklicherweise uneingeschränkt möglich war, habe ich mich zu keiner Zeit in meiner Raus-Geh-Freiheit eingeschränkt gefühlt. Für 12 von 10 Deutschen heißt „raus gehen“ aber scheinbar, dass sie die Geschäfte, Lokale, Eisdielen und Restaurants stürmen. Also ein völlig anderes „rausgehen“. Alles eine Sache der Definition. Ebenso amüsiere ich mich darüber, dass in Deutschland der Fußball scheinbar systemrelevant ist. Würde es sich mit dem Radsport annähernd ähnlich verhalten, wären einige von uns steinreiche gefeierte Staatshelden.

Soweit ein kurzer Schwenk meiner Wahrnehmung der momentan etwas speziellen Zeit. Mein eigentliches Ansinnen dieser Zeilen ist jedoch mein viertägiger Kurztrip in meine zweite Wahlheimat  - das Dahner Felsenland  - am vergangenen Wochenende. Es war ein Abenteuertrip in unserem Van, in dem wir vier Tage lang komplett autark lebten, um somit zivile Kontakte und potentielle Corona-Virenherde zu meiden. Einmal mehr zeigt sich hier der große Vorteil ein Zuhause auf vier Rädern zu haben.  


Das „Vanlife“ lerne ich mit jeder Tour mehr zu schätzen. Man kann losfahren wann und wohin man möchte. Man kann spontan je nach Wetter agieren. Es wartet keine Verpflichtung, irgendwo zu einer bestimmten Zeit anzukommen. Man wacht jeden Tag an einem anderen Ort auf. Vergisst das Gefühl für Raum und Zeit. Steht mit dem den ersten Sonnenstrahlen auf. Lernt Dinge wie frisches Wasser, die schnelle Hitze des Gaskochers, das Blubbern des Kaffees im Mokkakännchen und den Strom aus der Powerbank wieder viel mehr zu schätzen. Man trifft auf niemanden und hat unendlich viel Zeit ohne Ablenkungen nur für sich.

Tag 1: Höhenmeter am Kalmit
Der kurzen Anreise sei Dank schafft man es von Mittelhessen aus innerhalb von 2,5 Stunden eine völlig neue Welt zu erreichen. Der Naturpark Pfälzerwald wartet mit seiner ganzen Ursprünglichkeit und Intaktheit auf. Hier herrschen zum Beispiel so gut wie keine Borkenkäfer-Schädigungs-Armadas vor. Der Nadelwald ist von gesunden Kiefern gespickt, die auf dem trockenen sandigen Boden beste Wachstumsbedingungen vorfinden. Der im Mai noch zartgrüne Buchenwald strotzt nur so vor guter Luft, wunderschönen Licht-Schatten-Spielen und Stille. Ja die Stille ist hier ein angenehmer Weggefährte. Der Pfälzer Wald ist wenig besiedelt. Die Ortschaften dünnen sich Richtung französischer Grenze immer mehr aus. Die Landschaft wandelt sich hin zu unberührter Natur mit  beindruckenden Felsformationen, die immer wieder zwischen den Wäldern durchblitzen. Der Pfälzerwald gehört damit zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten Deutschlands.



Den ersten Stopp unsere Reise legten wir im Örtchen Maikammer am Fuße des Kalmit ein. Der Kalmit ist mit knapp 673 Metern die höchste Erhebung im Pfälzerwald und somit prädestiniert für die Jagd nach Höhenmetern. Es führen drei Anstiege hinauf, die kurz vorm Gipfel in einer einzigen Auffahrt münden. Der Blick von oben belohnt für jede einzelne Pedalumdrehung, gibt er doch eine unendliche Weite hinab ins Rheintal frei. Bei guter Sicht kann man in der Ferne die ersten Erhebungen des Schwarzwaldes erahnen. Ein besonderes Schmankerl am Kalmit ist, dass der Berg komplett mit einem Netz an Singeltrails überzogen ist, die die Abfahrten zu einem besonderen Erlebnis machen. Nicht umsonst testet das Bike-Magazin dort regelmäßig neue Bikes. Das Trailnetz ist so ausgeprägt, dass man sicher einige Tage benötigt, um alle Wege einmal gefahren zu sein. Der Untergrund wechselt dabei von felsig über sandig bis hin zu rauen Wurzelpassagen. Hier ist für jeden etwas dabei. Und eins haben alle Wege gemein: Es ist staubtrocken! Die Wegebeschaffenheit ist so perfekt, weil es selten regnet und wenn es regnet, bildet sich aufgrund des sandigen Untergrundes kein Schlamm oder Matsch.

Wir genossen den ersten Tag am höchsten Berg des Pfälzerwaldes in vollen Zügen und reisten am Abend voll mit neuen Eindrücken weiter Richtung Dahner Felsenland. Von Maikammer sind es ungefähr 45 Autominuten bis nach Dahn.

Tag 2+3: Singletrailfeuerwerk rund um Dahn

Das Städtchen Dahn bildet als Verwaltungssitz der Verbandgemeinde den kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt des Felsenlandes. Man findet in Dahn neben der guten örtlichen Nahversorgung, vielen Hotels und Ferienunterkünften auch 2 schöne Campingplätze. Das Gebiet vereint ein Wander-,  Mountainbike- und Kletterparadies. So kommt in den Weiten der Wälder jede Interessensgruppe voll auf ihre Kosten. Und weil die Gegend so weitläufig ist, kommen sich Gruppen selten ins Gehege.

Um Dahn herum führen viele prämierte Wanderwege. Oder besser gesagt Wanderpfade. In der Mountainbikesprache: Singletrails! Und was lieben wir am allermeisten unter unseren Pneus? Genau: Trails, Trails und noch mehr Trails. Wer hungrig nach einsamen Pfädchen mit flowigem Untergrund in einer malerischen Landschaft ist, der wird im Pfälzerwald mehr als satt. Es gibt so viele Pfädchen, dass man das Streckennetz niemals komplett erfassen kann. Hinter jedem Abzweig, nach jeder Weggabelung zwischen den bizarren Felsen – überall lauern neue Wege, die es zu entdecken gilt. Training in einem Abenteuerland – das sind Bedingungen, von denen man nicht genug bekommen kann.

Ich habe in der Pfalz den großen Eyberg mit seinen 513 Metern zu schätzen gelernt, der mir für lange Intervalle beste Voraussetzungen bietet. Belohnt wird man für jegliche Auffahrten dann mit einer rasanten Abfahrt. So trainiert man neben der Kraftausdauer auch seine Fahrtechnik. Selten habe ich so rennspezifische Trainingsbedingungen vorgefunden wie hier im Dahner Felsenland: Intervalle im Gelände, mit Puls 180 in die Abfahrt, selbst kreierte Rennsimulationsrunden auf 99 Prozent Singletrails. Klingt genauso paradiesisch, wie es ist. Der Grund, warum es mich für Trainingslager immer wieder nach Dahn führt.


Dass die Pfalz auch als deutsche Toskana bezeichnet wird, erklärt sich durch die Wetterbeständigkeit und Trockenheit. Es ist hier stets einige Grad wärmer als bei uns in Mittelhessen und die Sonne strahlt einige Stunden mehr vom azurblauen Himmel. So trug es sich bereits zwei Mal zu, dass wir Anfang März hier ein Trainingslager in kurz-kurzer-Radmontur absolviert haben, als bei uns daheim noch die letzten Schneereste dahinschmolzen.

Klar gibt es auch hier Regentage, doch selbst dann entsteht in den Wäldern so gut wie kein Schlamm. Die Pfädchen trotzen der Witterung und erstrahlen direkt nach dem Regenguss wieder in feinstem Glanz.

Unsere beiden Trainingstage mit Basis in Dahn nutzten wir ausgiebig, um die besten Trails zu shredden, eine harte Rennsimulation zu absolvieren und neue Pfade zu entdecken. Summa summarum hatten wir einfach nur eine super tolle Zeit auf dem Bike!

 

Tag 4: Auf nach Rodalben : Trailanteil 100 Prozent!

Mit der Freiheit unseres mobilen Zuhauses zogen wir am 4 .Tag in der Pfalz weiter nach Rodalben. Nach rund 20 Kilometern gen Nordwesten erreicht man die Stadt im Herzen der Pfalz. Zunächst mutet Rodalben unscheinbar an, jedoch verbirgt sich in den Wäldern rund um die 7500-Einwohner-Stadt eine echte Perle. Auf feinsten Singletrails schlängelt sich der Rodalbener Felsenwanderweg auf einer Länge von 43 Kilometern im Stetigen auf und ab einmal rund um Rodalben.

Der Pfad wartet dabei mit allem auf, was das Mountainbikeherz höher schlagen lässt: Die Landschaft wechselt zwischen Laub- und Nadelwald, sandig-flowig bis hin zu wurzelig grob. Kurze Anstiege wechseln sich stets mit langen Abfahren ab. Der permanente Richtungswechsel lässt einen dabei völlig vergessen, dass man sich im Bereich eines „kleinen“ Waldareals befindet. Vorbei an bizarren Felsformationen bleibt einem aber kaum ein Blick für diese Erscheinungen, fordert der Pfad doch ständige Aufmerksamkeit.

Auf über 40 Kilometern vollkommen im Singletrailflow zu sein – ich weiß nicht, ob es diese Erlebnis noch an anderen Orten gibt. Zudem ist der Felsenwanderweg so gut in Schuss, dass man meint, er wäre tagtäglich von Ästchen, Tannenzapfen und Laub befreit worden. Wir waren an einem Dienstag auf dem Weg unterwegs, sodass wir keine Menschenseele trafen. Da der Weg am Wochenende sicher stärker von Wanderern frequentiert ist, sollte man den Zeitpunkt der Befahrung geschickt wählen.

Zudem sollte man sich von den Kilometer- und Höhenmeterdaten (ca. 800 hm) nicht täuschen lassen, da das sägezahnartige Profil mit ständigen Antritten, vielen giftigen kurzen Anstiegen und ständiger Fokussierung auf die Abfahrten viele Körner kostet.

Wir haben im lockeren Tempo rund 3 Stunden benötigt und hatten ein breites Grinsen im Gesicht, als uns der Pfad am Ende wieder in Rodalben aus dem Wald ausspuckte. Ein echtes Single-Trail-Fest!

Fazit: Ein großer Abenteuerspielplatz für Mountainbiker – so kann man das Dahner Felsenland zweifelsfrei bezeichnen. Wer ein unendliches Netz an Singletrails mit viel Flow sucht, wird hier fündig. Trotz der guten Infrastruktur an Wanderpfaden erhält sich der Pfälzerwald seine Ursprünglichkeit. Natur pur.

Also, fahrt doch mal hin und entdeckt diese einzigartige Gegend,
bis dahin:

Keep on riding,

Vanessa

 

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