Wenn die Berge rufen, musst du folgen!



Und sie haben sehr laut gerufen. Die letzten beiden Wochen habe ich – ich kann es mittlerweile als meine zweite Heimat bezeichnen – am Wilden Kaiser in Tirol verbracht. Wem diese wunderschöne Fleckchen Erde kein Begriff ist: Hier wird eine sehr bekannte, wenn nicht sogar die bekannteste, TV-Arzt-Serie mit einem unschlagbar kompetenten Arzt namens Martin Gruber gedreht. Nicht, dass ich Hardcore-Fan wäre, aber die Drehorte der Sendung gehörten durchaus zu meiner täglichen Bestandsaufnahme. Da nämlich zufälligerweise während meines Aufenthaltes neue Folgen gedreht wurden. Und man will ja schließlich nichts verpassen. Doch ich muss dazu sagen, dass ich bereits in die Gegend gereist bin, bevor jemals irgendein Drehbuch geschrieben wurde und der Hype um den Bergdoktor ausgebrochen ist. Aber nun genug Anekdoten und Schleichwerbung für das ZDF.



Die Gegend um den Wilden Kaiser, eingebettet zwischen Kufstein und Kitzbühel hat nämlich noch viel mehr zu bieten: Alles, was das outdoorgeprägte Naturliebhaberherz höherschlagen lässt, gibt es hier komprimiert auf zwei Bergflanken. Eine zahme Seite zum Wandern und Biken und eine wilde Seite zum Klettern und Bergsteigen. Und all das habe ich in meinem Trainingslager(-Urlaub) genossen. Kraft in der Natur getankt, die Akkus aufgeladen, die Seele baumeln gelassen und den Kopf erfrischt. Etwas weniger Radfahren, dafür mehr Alternativsport. Die Rennsaison war für mich so weit weg, wie New York von Moskau. So eine Auszeit tat nach der bereits langen Saison mit vielen Rennen wirklich einmal gut. Umso motivierter und voller Energie kann ich nun den finalen Teil der Saison in Angriff nehmen. Insgesamt betrachtet kam mir die Zeitspanne meiner Abwesenheit vor wie mehrere Jahre. Ich fühlte mich nach der Ankunft zu Hause gestern fast fremd. Das scheint dann wohl ein Zeichen guter Erholung zu sein.

 
Was in diesem Jahr dank meiner ausgeklügelten Planung unfassbar gut passte, war, dass das Internationale Bergzeitfahren auf den Hahnenkamm in die Zeit meines Aufenthaltes fiel.

 
 
Ein schöner Zufall. Ein Sahnehäubchen als Abschluss des Trainingslagers sozusagen. Das Rennen fand letzten Donnerstag statt – ein Feiertag in Österreich. Davon haben sie hier ja jede Menge, die Glücklichen. Die Daten des Bergzeitfahrens, was seinen Namen damit mehr als verdient hat – haben mich als Bergfahrer natürlich sofort in ihren Bann gezogen: 9 Kilometer und 900 Höhenmeter! Was für andere nach reinster Qual klingt, ist für mich ein echtes Fest. Denn nirgendwo sonst kann ich mein Watt-zu-Kilogramm-Verhältnis so gut nutzen. Da es sich bei dem Event auch um die Tiroler Landesmeisterschaften im Bergzeitfahren handelte, war das Starterfeld mehr als gut besetzt. Viele Spezialisten mit extrem leichten Rädern (ich habe noch nie so viele Starrgabeln gesehen) zierten den Startblock in der Kitzbühler Innenstadt.

Meine Beine fühlten sich am Renntag so frisch an, wie sie nach zwei Wochen Trainingslager eben sein können – also eher mäßig. Doch das war bereits abzusehen und wurde in meinen Planungen einkalkuliert. Die Motivation und Aufregung waren dagegen umso größer. Denn ich bin zwar schon bei einigen Bergzeitfahren gestartet, aber noch bei keinem dieser Größenordnung. Der Start vollzog sich mit einer kleinen Einführungsrunde mitten in der Fußgängerzone – eine einmalige Atmosphäre. Nach der neutralisierten Startphase ging es dann am Fuße des berühmten Hahnenkammes auf vielen steilen Serpentinen hinauf zum Gipfel. Im Nachhinein betrachtet war mein Start wieder zu aggressiv – trotz der Tatsache, dass wir meine Fahrtzeit vorher ausgerechnet hatten und ich wusste aufs Watt genau, was auf mich zukommt. J  Pacing ist alles – man kann es MIR nicht oft genug sagen und ich sollte es dann auch mal beherzigen. Lange Zeit fuhr ich an der Spitze des Damenfeldes. Irgendwann wurde ich dann von zwei Fahrerinnen attackiert. Warum ich dann nicht dran blieb, kann ich nun im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren. Die beiden Fahrerinnen waren zwar nur wenige Meter vor mir, aber es gelang mir nicht die Lücke zuzufahren. Eventuell gedachte ich auch, dies später kurz vor dem Ziel noch schaffen zu können. Aber wie soll man bei über 10 Prozent Dauersteigung noch einen Antritt fahren?! :D Auf jeden Fall können sich 9 Kilometer Ewigkeiten ziehen. Die Höhenmeter schossen auf dem Garmin in die Höhe, während die Kilometer nur so dahin krochen. Ich freute mich über jede Kilometerangabe am Wegesrand. Noch drei Kehren und dann sah man von weitem schon den Zielbogen. Wenn ich den Gesamtsieg noch holen wollte, war es nun allerhöchste Zeit für eine Attacke. Doch dazu war ich nach 45 Minuten Vollgas nicht mehr fähig. Mit meiner Zeit von 47 Minuten war ich mit rund 25 Sekunden Rückstand Gesamtdritte und siegte in der Eliteklasse. Wäre ich aus Tirol, wäre ich damit Landesmeisterin geworden. ;-) Zunächst war ich etwas enttäuscht über mein schlechtes Pacing, als ich dann aber die Sieger-Kitz-Kitzbühel-Trophäe in den Händen hielt, überwogen doch die Glückgefühle über mein Abschneiden bei einem so großen Rennen.

 
 
 
 
 
 
Ein Bergzeitfahren bietet natürlich keine einzige Sekunde Erholungsphase und ist somit ohnehin erst rückwirkend betrachtet schön. Nämlich dann, wenn man realisiert, was man geschafft hat!
Nach meiner zweiwöchigen wunderschönen Auszeit versuche ich nun mich wieder im „normalen“ Leben zurechtzufinden. Ihr findet mich am Sonntag an der Startlinie des Sebamed Bike Days in Bad Salzig. Darauf freue ich mich schon – ein tolles Event!  https://www.sebamed-bike-day.de/

Bis dahin: Keep on riding,


Vanessa

Zitate:

“Puh 9 km mit 900 Höhenmeter, das sind ja dann im Schnitt 10 Prozent Steigung!”

                        „Ach nee, wie hast du das denn so schnell ausgerechnet?!“

„Das war doch nicht gleichmäßig!!“

                        „Klaro guck doch hin.“

„Ich kann das mit dem Pacing immer noch nicht so richtig glauben.“

 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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