12 Stunden EM am Ammersee: Wir sind Europameister!
Um das
Sommerloch sinnvoll zu füllen, komme ich von Jahr zu Jahr auf verrücktere
Ideen. Als ich vor rund vier Wochen das Internet nach potentiellen Rennterminen
durchforstete, weckte eine Veranstaltung mein besonderes Interesse. Oder viel
mehr – ich brannte bereits mit Lesen der Ausschreibung dafür: 12 Stunden
Europameisterschaft in Dießen am Ammersee. Es gibt ja diese Dinge, über die man
zwar vorgaukelt noch einmal nachdenken zu wollen, sich innerlich aber schon
längst entschieden hat. Die vielen
positiven Erinnerungen an das letztjährige 12 Stundenrennen in Külsheim
stimmten mich positiv in der Annahme, dass wir nun auch bereit für eine
Europameisterschaft sind. Apropos WIR – mein Plan war natürlich ein Start im
2er-Mixed-Team, gemeinsam mit meinem Lieblingsmenschen. Bietet sich ja
schließlich mehr als an. Und genau diesen musste ich zunächst in meinen
gefassten Plan einweihen und dann ein wenig Überzeugungsarbeit leisten. Ich
hatte ihn aber schnell mit im Boot, denn mir kann man nur schwer einen Wunsch
abschlagen – und zack brannten wir beide für das Event!


Ein solches
Ereignis bedarf einer gründlichen vorherigen Planung: Verpflegung, Material,
Ausstattung, Renneinteilung und so weiter. Letztlich sah es am Abreisetag eher
so aus, als wollten wir zu einer mehrwöchigen Expedition aufbrechen, statt zu
einem Rennwochenende am Ammersee. Um in der Ferienzeit Engpässe und
Staugefahren auf der Autobahn zu vermeiden, nutzen wir die frühen Morgenstunden
des Rennvortages für unsere Anreise. Bei prallem Sonnenschein und über 40 Grad
im Schatten erreichten wir relativ zügig unser Ziel mitten im platten
bayrischen Land. Wir gehörten zu den ersten Teams, die das Renngelände bezogen.
Somit konnten wir uns den einzigen Schattenplatz des gesamten Areals unter einem
großen Baum sichern und dort unser Fahrerlager aufschlagen. Der Standort war
eine echte Oase: Direkt an der Wechselzone gelegen, Schatten den ganzen Tag,
ein Bachlauf mit eiskaltem Wasser vor unseren Füßen und der Toilettenwagen in
direkter Nachbarschaft. Da hat der frühe Vogel einen wirklich fetten Wurm
gefangen!
Eine kurze
Vorbelastung nutzen wir dazu, den Körper zu aktiveren und uns die Strecke
anzusehen: 7,5 Kilometer, rund 140 Höhenmeter, holprige Wiesestücke, zwei
knackige Schotteranstiege, ein toller Trail im Wald, ein fieses Drückerstück
auf Teer und eine flowige Wiesenabfahrt. Für 12 Stunden im Sattel ein strammer
Kurs. Eher nicht bergfahreraffin, aber da musste ich nun durch. Der Tag klang
entspannt und erfrischend am Ufer des Ammersees aus.
Nach einer - der Aufregung und Steckmückenarmada geschuldeten – unruhigen Nacht, hieß es am Samstag dann endlich RACEDAY! Und zwar ein sehr langer. In 12 Rennstunden kann man wirklich alle Höhen und Tiefen einmal durchfahren. So ein Rennen ist nicht nur Formsache, sondern vor allem auch Kopfsache.
Nach einer - der Aufregung und Steckmückenarmada geschuldeten – unruhigen Nacht, hieß es am Samstag dann endlich RACEDAY! Und zwar ein sehr langer. In 12 Rennstunden kann man wirklich alle Höhen und Tiefen einmal durchfahren. So ein Rennen ist nicht nur Formsache, sondern vor allem auch Kopfsache.
Stunde 1
Meinem
Lieblingsmenschen gehört die erste Runde, damit er sich eine gute
Ausgangsposition erarbeiten kann. Ich warte aufgeregt in der Wechselzone und freue
mich auf meine erste Runde des Tages. Diese bringe ich schnell hinter mich (die
schnellste Frauenrunde des Tages, wie ich später erfahren werde) mit eigentlich
viel zu viel Watt für einen so langen Tag.
Stunde 2
Auch die
nächsten beiden Runde gehe ich sehr schnell an. Ich kann mich einfach nicht
zurückhalten, auch wenn ich die vielen Stunden, die noch vor mir liegen, vor
meinem inneren Auge habe. Aber Pacing ist eben nicht so meins. Doch ich fühle
mich gut und überhole permanent andere Fahrer. Die Strecke macht wirklich mehr
Spaß, als ich nach meinem ersten Eindruck erwartet hatte.
Stunde 3
Ich erfahre
von den Betreuern im Nachbarzelt, dass wir bei den Mixed-Teams mit einer Runde
Vorsprung in Führung liegen. Selber hatte ich mich noch nicht getraut, auf die
Ergebnislisten zu schauen, weil es mich vielleicht verunsichert hätte.
Stunde 4
Puh, noch
acht Stunden. Das ist eine ewig lange Zeit. Ich werde laufend über den
aktuellen Zwischenstand informiert. Die gute Nachricht: Unser Vorsprung wächst
weiter. Wir behalten unsere Taktik bei, nach jeder Runde zu wechseln. Das heißt
somit: 17-18 Minuten Vollgas geben und die gleiche Zeit als Erholung zu haben.
Stunde 5
Im Hinblick
auf die unfassbar hohe Zahl an verbrannten Kalorien, die mir mein treuer Garmin
anzeigt, verbringe ich meine Pausen damit, permanent zu Essen. Denn ein
Hungerast wäre das letzte, was wir jetzt gebrauchen können. Der Körper benötigt
ununterbrochen neue Energie.
Stunde 6:
Halbzeit! Ab
jetzt wird rückwärts gerechnet, das ist mental gesehen extrem gut für den Kopf.
Leider hat sich ein kräftiger Regenguss mit einem kurzen Gewitter über uns
entladen. Nach zwei Nassen Schlammrunden bricht die Sonne aber wieder durch und
die Strecke trocknet recht schnell ab. Glück gehabt.
Stunde 7
Schnell in
trockene Rennkleidung geschlüpft und weiter geht es. Noch immer fahre ich die
Runden sehr flüssig, konstant und mit ordentlichem Druck. Ich horche in mich
hinein und hoffe, dass kein Einbruch kommt. Immer wieder schaue ich auf meine
Rundenleistungen und meine Leistungswerte. Realistisch gesehen, kann ich diese
nie und nimmer noch weiter durchziehen, aber ich probiere es trotzdem!
Stunde 8
Der ständige
Blick auf die Uhr und die Zeit scheint stillzustehen. Mittlerweile habe ich
Probleme, meine Pausenzeiten auszurechnen, um wieder rechtzeitig in der
Wechselzone zu stehen. Ich bin wie im Tunnel und blende alles weitere aus.
Stunde 9
Wir liegen nun
mit 3 Runden Vorsprung in Führung. Zum ersten Mal blitzt der Gedanke auf, dass
der Europameistertitel tatsächlich Realität werden kann. Ich kriege kurz
Gänsehaut. Der Gedanke daran beflügelt mich noch einmal und ich ziehe mein
Tempo weiter durch.
Stunde 10
Das
„All-you-can-eat“-Ernährungskonzept scheint aufzugehen, mein Körper hat noch
immer Energie. Essen, trinken, abkühlen mit frischen Bachwasser und fahren –
ein ewiger Kreislauf.
Stunde 11
Wir haben 4
Runden Vorsprung, wenn jetzt kein Defekt oder Sturz mehr passiert, ist uns der
Sieg sicher. Ich genieße die letzten Runden. Wir ruhen uns jedoch nicht auf dem
Vorsprung aus, sondern geben weiter alles!
Stunde 12
Noch 1 Runde.
Ich kann noch gar nicht glauben, dass es gleich geschafft ist. Ein letztes Mal
über die fiese Wiese, den Anstieg hoch, über den Trail – auf dem ich nunmehr
jede einzelne Wurzel kenne – über den Teer hinab in den Start-Ziel-Bereich. Ein
letzter Fahrerwechsel. Ich bleibe im Zielbereich hocken und warte auf meinen
Lieblingsmenschen. Und dann 20 Uhr. Ende. Wir haben gewonnen! Mit 40 Runden
haben wir uns im 2er-Mixed-Team den Europameistertitel geholt. Zwölf harte
Stunden liegen hinter uns. Ein Wimperschlag und Lichtjahre zu gleich. Ich bin
einfach nur unfassbar glücklich und kann noch nicht realisieren, was heute
passiert ist. Der Tag war ein kräftezehrendes, aber einzigartig schönes
emotionales Großereignis. Ein harter Kampf gegen sich selbst, aber vor allem
ein gemeinsamer Kampf. Alleine gewinnen ist schön, aber so etwas zusammen zu
schaffen, ist unbeschreiblich! Danke Lieblingsmensch! Danke für alles.
Wie sagt man
so schön: Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – aber sie ziehen auch
welche nach sich. Nächste Woche reise ich zum Trainingslager nach Österreich,
wo nach einer etwas ruhigeren und erholsameren Woche dann das Bergzeitfahren in
Kitzbühel auf dem Programm steht.
Ich freue
mich und ihr hört von mir!
Bis dahin: Keep on riding,
Vanessa
Zitate des
Tages:
“Wo kommt den
aus den Oberschenkeln die ganze Kraft her?!”
„Puh ja für
eine Frau bist du ganz schön schnell.“
„Ihr seid
aber zu viert oder?“
„Nee zweier Mixed!“
„Du
großer Gott!"
„Ich muss das mit den Fingern nachrechnen, mein Kopf ist leer.“
„Ich muss das mit den Fingern nachrechnen, mein Kopf ist leer.“
Herzlichen Glückwunsch an Euch Zwei. Das sind Erlebnisse die ein paar so schnell nicht vergisst.
AntwortenLöschen#RESPEKT
Dankeschön! :)
LöschenHi ihr beiden, Glückwunsch zur EM und ein toller Bericht. LG Jan
AntwortenLöschenDanke! Viele Grüße :)
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