Sportlerleben in Krisenzeiten – wie geht es weiter?
Innerhalb der letzten Wochen hat sich unser aller Leben
komplett gewandelt und eingeschränkt. Meine persönlichen lang gesteckten
Saisonziele zerplatzten wie eine Seifenblase im lauen Frühlingswind. Wie ein
tiefes Loch, das sich plötzlich im Boden auftut und alle Pläne tief in sich
begräbt. Die Hoffnungen (die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt) auf
eine baldige Normalisierung der Welt und des Wettkampfkalenders sinken derzeit
noch von Tag zu Tag.
Vorneweg: Ich weiß, dass der Sport ein echter Luxus ist.
Für viele Menschen gibt es derzeit gravierendere und existenzielle Probleme.
Das Jammern und Bedauern über Rennabsagen ist somit fast nicht gerechtfertigt.
Aber dennoch möchte ich dies nicht als reines Luxusproblem abwenden. Denn: Der
Sport ist mein Leben. Ich „arbeite“ als Leistungssportlerin dafür, um mich bei
Wettkämpfen zu präsentieren und mich mit anderen zu messen. Eine Saison ohne
Wettkämpfe? Unvorstellbar.
Nach dem nun aber leider eine Rennabsage nach der anderen
folgt, galt es für mich meine Ziele neu zu definieren. Meine Gedanken kreisten
auch im Trainingslager die letzten beiden Wochen (dieses konnte ich
glücklicherweise uneingeschränkt und nach Plan zu Ende bringen) vom
„Nicht-glauben-wollen“ was gerade geschieht, über „warum trainiere ich
eigentlich noch“ hin zu „es geht allen so“ hin zu „jetzt erst recht!“
Nach allem Zweifeln, Ärgern und der Ungewissheit was die
Zukunft bringt, setzte ich mir selbst das Credo: „Wenn die (Radsport-)Welt
sich wieder normal dreht, bin ich mehr als bereit!“ Meine Ziele sind nicht
aufgehoben, sondern lediglich aufgeschoben. Um meine derzeitige Form nicht
völlig ungenutzt verpuffen zu lassen (kurze Erklärung: Mein erster Peak war für
die Deutsche Meisterschaft im Marathon Ende April geplant und demnach ist der
Trainingszustand gerade bereits enorm hochgefahren), werde ich die abgesagten
Renntermine zunächst mit Leistungstests, Rennsimulationen und anderen
sportlichen Herausforderungen füllen. Challenge yourself!
Mir wurde klar wie nie, dass die Hauptmotivation des
Trainings nie der reine Wettkampf sein sollte, sondern man es an erster Stelle
für sich selber macht. Trotzdem habe ich gemerkt, wie immens wichtig mir eine
Plattform in Form der Rennen ist, um die Früchte der Trainingsarbeit auch nach
außen zu tragen. Doch ich bin mir sicher: Diese Zeiten kommen wieder – früher
oder eben später. Und dann sollten wir alle vorbereitet sein.
Die Viruskrise bringt uns Sportlern nun viel Leerlauf in
Form von freien Wochenenden. Eine Chance somit, an den eigenen Schwächen zu
arbeiten und das Beste aus sich herauszuholen. Inspiriert von Triathletin Laura
Philipp sollten wir einfach alle versuchen „die beste Version von uns selbst zu
werden.“ Und wir können nun vieles angehen, was immer unter dem Motto „das
mache ich dann mal, wenn ich Zeit habe stand.“ So vertiefe ich derzeit meine
Yoga-Kenntnisse. Nebenbei war der Haushalt wohl noch nie so in Schuss, die
Steuer mehr als fristgerecht erledigt und der Rad-Fuhrpark im Keller so sauber.
Die Krise als Chance sehen. Etwas anderes bleibt uns gerade allen nicht übrig.Noch ein kurzes Abschlusswort: Die Pandemie durch das kleine, fiese Virus zeigt deutlich, wie verwundbar unsere hochtechnisierte Welt ist und wie unabdingbar auch in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung die reine „menschliche“ Arbeitskraft insbesondere im Einzelhandel und im Gesundheitswesen ist. Vielleicht motiviert uns die Krise zu einem Umdenken, was in unserer Welt schief läuft. Alleine das Horten des Toilettenpapiers zeigt auf, das in unserer Gesellschaft der Blick für das Wesentliche völlig abhandengekommen zu sein scheint.
Deswegen sollten wir uns meiner Meinung nach unbedingt
wieder auf die Grundwerte des menschlichen Daseins zurückbesinnen. Ich brauche
dazu die Freiheit der Natur, die Sonne, mein Bike, hochwertige unverarbeitete
Nahrungsmittel, Ruhe und (finanzielle) Sicherheit! Und was wir alle nicht brauchen sind Massenpanik,
das Hamstern von Lebensmittel und die unzähligen Fotonominierungen in den
sozialen Medien. Die Selbstverständlichkeit vieler Dinge wird einem erst in Krisenzeiten richtig bewusst.
Bis alles wieder normal läuft: Passt auf euch auf, bleibt
alleine und gesund. Irgendwann wird das Licht am Ende des Tunnels wieder
sichtbar werden. JKeep on riding (vorsichtig und alleine),
Vanessa
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