Dünsberg-Marathon in Biebertal: Ein letztes Kräftemessen

Es gibt Konstanten im Kalenderjahr, die möchte man auf keinen Fall missen. Geburtstage, Weihnachten, Zeitumstellung, Trainingslager. Zu einer meiner Konstanten gehört seit vielen Jahren der Dünsberg-Marathon in Biebertal. Ein letztes Kräftemessen am Ende der Saison. Hier werden alle körperlichen Reserven noch einmal zusammengekratzt. Ein Stelldichein vieler bekannter Gesichter aus nah und fern. Und nirgendwo sonst liegen Freud und Leid so nah beisammen wie am Fuße des Dünsberges. Warum dies so ist? Dazu später mehr.

Biebertal liegt so nah der Heimat, dass ich den Marathon fast als Heimrennen bezeichnen kann. Mehr als praktisch, da die geographische Nähe zum Austragungsort eine längere Schlafdauer und einen entspannten Start in den letzten Renntag der Saison beschert. Was ebenfalls immer konstant ist: Das Wetter! Ich kann mich zumindest bei keinem meiner mittlerweile zehn Starts an schlechte Witterungsbedingungen erinnern. So auch an diesem letzten Sonntag im September. Zwar drohte die dicke, graue Wolkendecke Regen an, öffnete ihre Schleusen aber erst am Nachmittag. Und der Regen der letzten Tage hatte der Strecke mehr genutzt als geschadet. Aus einer staubtrockenen Runde wurde eine griffige Piste.

Wie bei jedem Rennen meines Lebens war ich vor dem Start voller Adrenalin, angenehmer Aufregung und Vorfreude. Der schönste Cocktail für alle Sportler. Also ein letztes Mal für dieses Jahr in die Rennklamotten schlüpfen, die Kabelbinder der Startnummer am Lenker festzurren und mit tosendem Lärm die Beine auf der freien Rolle auf Betriebstemperatur bringen. Ein letztes Mal den vollen Fokus und die Konzentration auf das Rennen richten. Der Blick zurück im Startblock offenbarte, dass dies heute viele Biker einte: Über 200 Starter auf der kurzen Distanz. Ein riesen Feld.




Die Startphase war auf dem ersten leicht ansteigenden Teerkilometer neutralisiert. Davon merkte man allerdings nicht besonders viel, da das Führungsfahrzeug bereits ordentlich Gas gab. Getrieben von den schnellsten Männern. Als der Start frei war, knallten diese los. Wie bereits in vielen Rennen erprobt und als gut empfunden, machte ich meinen Start extrem schnell und aggressiv und hielt mich weit vorne in einer Männergruppe. Auf den ersten drei Kilometern ging es bereits bissig bergauf und ich sah, wie die Lücke hinter unserer Gruppe bereits riesen groß war. Mein Plan war ein sehr schnelles Rennen vom Start weg durchzuziehen. Also wie immer eigentlich. J



Da es keine wirklich langen Berge gab, war die Strecke unrhythmisch und mit viel Drückerei verbunden. Meine Gruppe bröckelte irgendwann dahin und immer mehr Fahrer fielen weg. Doch ich fühlte mich gut und hatte Spaß beim stetigen Auf und Ab der unzähligen Trails. Das Rennen war so schnell, dass ich fast gar nicht zum Trinken, Nachdenken oder Umschauen kam. Mal wieder ein fokussiertes Hardcore-Achtsamkeitstraining. Und zeitlich schneller als erwartet, erreichte ich den letzten fiesen und steilen Wiesenanstieg. Ein letzter schneller Trail bergab und über eine lange Schotterpiste ging es zurück ins Ziel. Nach 1 Stunde und 12 Minuten, 28 Kilometern und 700 Höhenmetern erreichte ich als Gesamtsiegerin die Ziellinie. Und es waren sogar nur 14 Männer schneller. Schnellster des Tages war zufällig mein Lieblingsmensch. Schöner kann eine Saison nicht enden. Ein Fest!



An dieser Stelle noch der versprochene Schwenk zum Thema Freud und Leid – zwei enge Verbündete an diesem letzten Renntag für mich. Einerseits freuen sich Körper und Geist nach sechs Monaten Rennsaison auf etwas Ruhe und rennfreie Wochenenden. Andererseits entsteht zunächst eine große Leere ohne konkret greifbare Ziele vor Augen. Ein kleines Loch tut sich auf. Der Gedanke an sechs Monate ohne Startnummer am Lenker versetzt mir schon einen kleinen Dämpfer. Aber alles in allem schaut man sich kurz um und zack ist schon wieder April. Und bis dahin: Das Training geht schließlich weiter und Vorbereitung ist alles.
Und ich liebe dieses Sportlerleben mit all seinen Facetten so sehr, dass ich 2020 genau dort anknüpfen möchte, wo ich am Wochenende aufgehört habe. Ich freue mich jetzt schon.


Keep on riding,

Vanessa

Zitate des Tages:

„Ich war mir selber nicht sicher, ob ich an mir hätte dranbleiben können.“

„Wer bremst, verliert.“

                        „Ich musste sowieso meine Beläge sparen. War nicht mehr viel da.“
„Muss das erst mal alles nachwirken lassen.“

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